Es gibt die Ängste, die uns begegnen und dabei bewusstwerden. Wir spüren sie und können sie identifizieren. Doch es gibt auch die Ängste, die wie ein unsichtbarer oder besser gesagt, unspürbarer Teppich unter dem liegen, was ich gerade erlebe.

Sinnvolle Angst?

Dann gibt es Ängste, die aus dem Nichts auftauchen und uns überrollen wie eine Lawine. Sie ziehen nicht selten den großen Bruder mit ins Spiel: Die Panik. Unser Leben wird langsamer oder kommt zum Stillstand. Das sind Ängste, die wir nicht mögen und die wir versuchen, zu vermeiden. Sie machen auch nicht wirklich Sinn. Es gibt nur eine denkbare Situation, in der wir sie zulassen können, in der wir sie sogar brauchen. Wenn eine tatsächliche, objektive und reale Bedrohung auf uns zukommt. Wenn wir eine sofortige Neuausrichtung brauchen, um nicht verletzt zu werden oder sogar unterzugehen. Dann brauchen wir einen kräftigen Stopper, der uns aus der aktuellen Bewegung herausnimmt, unsere Sinne ausrichtet und schärft und uns auf allen Ebene unterstützt, um anzugreifen oder zu flüchten. Um unser Leben durch eine sofortige Handlung zu retten. Doch dieses Scenario macht nur Sinn, wenn die Situation, die wir als Bedrohung wahrnehmen, auch wirklich eine objektive Bedrohung ist. Das dürfte äußerst selten der Fall sein.

Ursprung dieser Reaktion

Zu Zeiten, als wir noch stärker verwoben waren mit dem Rest der Natur, als wir noch Teil der wilden Prärie waren, also etwa zu Zeiten der Steinzeit, waren wir anders unterwegs als heute. Sehr viel anders. Wir waren ungeschützter, gefährdeter, bedrohter. Deshalb waren unsere Bewegungen sehr viel langsamer und unsere Sinne sehr viel wacher. Wenn wir unsere Steinzeithöhle verließen, waren wir uns bewusst, dass wir potentiell sehr bedroht waren. Wir schlichen durch das Gras mit offenen Sinnen: Das leiseste Geräusch ließ uns verharren und hineinspüren, ob da ein Tiger ist. Dabei waren wir fluchtbereit. Wenn aus der erwarteten Bedrohung dann eine tatsächliche wurde, konnten wir in einem Sekundenbruchtuchteil losrennen. Der Körper war in Betriebstemperatur und der Chemiecocktail ermöglichte einen sofortigen Sprint zum nächsten Baum.

Inzwischen leben wir in einer anderen Welt. Sie ist schnell. Sie ist laut. Laut im wahrsten Sinne. Es prasseln unfassbar viele Informationen durch unsere Sinnesorgane auf uns ein. Unser Gehirn ist zwar ein riesen Computer mit extrem hoher Verarbeitungsgeschwindigkeit und fast unendlichem Fassungsvermögen, doch das würde ihn doch überfordern. Deshalb haben wir eingebaute Filter, die einen Großteil der Informationen heraussieben und gar nicht zum ersten Wahrnehmungsspeicher, also eine Vorstufe des bewussten Gedächtnisses, durchlassen. Wir bekommen also das meiste von dem, was um uns herum geschieht, 8m wahrsten Sinne des Wortes „nicht mit“. Weil so viel los ist um uns herum und weil wir regelrecht durch dieses Leben rasen. Das ist also so ziemlich das genaue Gegenteil von der Art durch das Leben zu gehen, wie zu Zeiten der Steinzeit. Damals schlichen wir mit offenen Augen, Ohren, Nase und einem geschärften sechsten Sinn durch die Prärie. Heute rasen wir mit Augenklappen, Ohrschützern und einer Wäscheklammer auf der Nase durch die Stadt.

Na und?

Wäre ja nicht weiter schlimm. Bevor wir zurück zur Angst und Panik kommen, mag ich noch einen zweiten wichtigen Unterschied aufzeigen: Wenn wir in alten Zeiten aus der Höhle schlichen, dann wussten wir, dass unser Leben am seidenen Faden hängt. Und wir wussten, dass wir uns selbst beschützen mussten. Tendenziell fühlten wir uns unsicher und daran waren wir gewohnt. Es machte uns keine Angst. Mit wachen Sinnen und Adrenalin durch die Steppe zu traben war Standard. Wenn wir uns heutzutage in das Leben schmeißen, dann fühlen wir uns sicher. Ganz besonders hier in diesem Land. Extrem hohe Sicherheitsstandards lassen zu, dass wir mit unserer ganzen Aufmerksamkeit bei uns bleiben: Wir brauchen nicht während der Autofahrt ständig nach links und rechts lugen, ob da ein Baum auf uns fallen will, eine Brücke über uns zusammenbricht oder ein Flugzeug auf uns fällt. Und das ist das eigentliche Problem. Weil wir das Verletzungs- und Todesrisiko so heruntergeschraubt haben, passieren leider öfter zwei Szenarien:

Wenn der Baum dann doch fällt

Leider gibt es die Situationen, zwar selten, doch es gibt sie: Bei schweren Stürmen kommt es vor, dass ein Baum fällt und ein Auto erwischt und die Insassen schwer verletzt werden: Wäre der Fahrer langsam und zu Fuß unterwegs gewesen, hätte er den Sturm wahrscheinlich unverletzt überstanden: Er hätte sich entweder einen Schutz gesucht oder wäre achtsam und langsam den Weg gegangen. Er hätte sich nicht darauf verlassen, dass „nichts passiert“. Unsere Sicherheit hat also ihre Grenzen. Doch die ist so weit nach hinten gezogen, dass wir jenseits der Grenzen kaum Handlungsmöglichkeiten haben. In dem konkreten Beispiel ist also angesagt: Zuhause bleiben. Selbst, wenn wir sagen würden: Ok. Dann gehe ich zu Fuß mit wachen Sinnen wie einst in der Steinzeit, würde es wenig bringen, denn: Wir sind nicht trainiert darauf. Also bleibt nur der Weg: Auf die Technik und das uns umgebende System verlassen. Das Spiel „mitspielen.“

Wenn der Tiger dann doch mal brüllt?

Wir sind zwar nicht trainiert, durch die Prärie zu schleichen, doch die Programme sind noch in uns aktiv. Heißt: Mit ein wenig Training ist es Jedem von uns möglich, die Sinne zu schärfen, das Leben zu verlangsamen und damit klarzukommen, dass Adrenalin und andere Beschleuniger und Wachmacher in uns aktiv sind. Doch ohne Training kommen wir damit nicht klar: Wenn unsere Sinne etwas melden, das die Filter passieren kann und im Gehirn verknüpft wird mit einer Erinnerung, die eine Bedrohung war, dann wird der Alarmknopf gedrückt. Das System macht sich in Sekundenschnelle zur Flucht bereit: das sind wir überhaupt nicht mehr gewohnt. Hinzukommt, dass wir die Bedrohung überhaupt nicht erkennen können. Wir sind also extrem verwirrt. Das löst direkt die nächste Welle der Panik aus und jetzt ist der Ausnahmezustand perfekt. Unser Herz rast, der Schweiß bricht uns aus, wir wollen am liebsten wegrennen, doch wir müssen das Gespräch führen mit dem Kunden vor uns. Wir verstehen die Welt nicht und auch Stunden nach der Situation haben wir keine Erklärung. Was bleibt ist der Wusch, das uns das nicht nochmal passiert.

Was tun?

Langfristig helfen nur Trainingsprogramme, denn wer einmal so eine Situation erlebt hat, erlebt sie von da an meist wiederholt. Warum? Angst vor einer Situation ist nach dem Resonanzgesetzt eine gute Garantie, genau diese Situation in unser Leben zu ziehen. Kurzfristig in der konkreten Situation hilft der

Realitycheck

Kurz innehalten, innerlich „Stopp“ sagen. Den Verlauf unterbrechen. Die Pausetaste im Film drücken. Wenn möglich ausstehen und auch körperlich die Perspektive wechseln und aus einem anderen Blickwinkel auf die Situation schauen. Dann die Frage stellen: „Okay. Was genau passiert hier gerade? Was sind die konkreten Auswirkungen in diesem Moment? Was werden die wahrscheinlichen nächsten sein? Und welche befürchte ich möglicher Weise gerade unbewusst? Welche werden eintreten? Und selbst, wenn nicht: Was könnte schlimmsten Falls geschehen? Werde ich wirklich sterben?

Das wird funktionieren, wenn nicht schon zu viel Chemie im Körper wirkt. Deshalb immer so schnell wie möglich reagieren.

Hast du das schon mal getestet? Schreib mir gerne in die Kommentare, wie deine Erfahrung war. Oder probiere es mal aus und sag mir, wie es war. Und denk bitte auch daran, diesen Blog zu teilen. Angst und Panik ist ein Thema, das viele Menschen betrifft und Aufklärung gebrauchen kann. Und Tipps aus der Praxis für die Praxis. Danke für deinen Besuch auf meinem Blog.

 

In einigen meiner podcast Folgen geht es um das Thema Angst, z.B. in: „Angst dein Verbündeter.“

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