Erst kürzlich erreichte mich die Frage: Wie kann ich den Fokus halten? Hast du für dich eine Antwort gefunden? Ich glaube, das wichtigste ist, zu bemerken, dass ich den Fokus verloren habe. Es ist wie das Autofahren ohne Navi. Ja, so Zeiten gab es, ich habe sie erlebtJ

und ich erwähne sie nicht ohne Grund. Die heutigen Zeiten mit all den technischen Hilfsmitteln, Tools und virtuellen Assistenten hat natürlich riesige Vorteile und führt uns bei richtiger Handhabung recht zügig in Fülle, Erfolg und Reichtum. Doch sie hat auch einen gewaltigen Nachteil: Wir laufen Gefahr mangels Not-wendigkeit oder mangels Anleitung durch unsere Lehrer, das Grund-Handwerkszeug nicht richtig zu lernen.

Navigation beim Fliegen und Autofahren

Dazu ein Beispiel: Vor 10 Jahren absolvierte ich eine Ausbildung zum Privat-Piloten. Gerade in der Fliegerei gab es in den letzten Jahren große Entwicklungsschübe, die zu mehr technischer Sicherheit geführt haben und so ist es üblich (und auch richtig), dass die Navigation komplett durch elektronische Geräte übernommen wird. Doch in der Ausbildung habe ich gelernt mit Papier, Zirkel, Geo-Dreieck und Bleistift oldschool meinen Weg zu planen. Kein leichtes Unterfangen, doch es ist nötig, um Navigation „zu verstehen“, um ein „Gespür“ zu entwickeln, um jederzeit das Gefühl zu haben, der Chef über die Informationen zu sein, die die Elektronik präsentiert. Dieses Lernen war ein Prozess. Wie lange er braucht, hängt von mir ab, von meinem inneren System. Und es ist einer jener Lernvorgänge, in denen es nicht nur darum zu verstehen, wie was richtig abläuft. Es geht auch darum zu sehen und verstehen, wie es nicht funktioniert. Nur so kann ich anschließend in der Praxis falsch von richtig unterscheiden. Nur so kann ich rechtzeitig bemerken, dass ich durch einen Fehler auf dem falschen Weg bin. Bevor es zu spät ist. In der Fliegerei ist das viel kritischer als beim Autofahren, deshalb habe ich das Beispiel gewählt. Es ist unfassbar, wie viele Unfälle passieren, weil der Sprit ausgeht. Und in fast allen Fällen ist es menschliches Versagen. Ungenügende Schulung, Weiterbildung, Hektik, falsche Risikoeinschätzung, zu wenig Erfahrung.

Trainieren, den Fokus zu halten

Zurück zum Fokus. Wie kann ich lernen, mein Ziel ins Auge zu fassen und zu bemerken, wenn ich es aus dem Auge verlieren und mich verlaufe? Indem ich genau das tue und zulasse. Was? Wirst du jetzt fragen: Ja, du liest richtig.

Beispiel 1: Wenn du schnell lernen willst, einen Pfeil in die Mitte der Zielscheibe zu schießen, dann lass dir drei geben: Mit dem ersten zielst du links daneben, mit dem zweiten rechts und den dritten versenkst du mitten ins Schwarze. Gewusst wie. Habe ich von den Trappern gelernt. Und dann natürlich geübt. Funzt.

Beispiel 2: Dieses empfehle ich meinen Coachees und Seminarteilnehmern: Wir können mit unserem Auge, wenn wir den Kopf nicht bewegen, ein Blickfeld von fast 180 Grad wahrnehmen. Wenn wir unser Auge nicht bewegen, bedeutet es: Wir haben eine vage Ahnung was da so zu sehen ist. Wir können es jedoch nicht klar erkennen. Um Details wahrzunehmen und danach im Gehirn verarbeiten zu können, müssen wir das Auge bewegen. Wir schauen genau hin. Wir fokussieren. Dorthin, wo uns ein innerer Impuls schauen lässt. Dann stellen wir scharf und bekommen die detaillierten Informationen. Dieser Bereich des Scharfsehens macht ungefähr einen Winkel von 5 Grad aus. 

Bedeutet: Von den 100 %, die unser Auge vage ans Hirn meldet, können wir gerade mal 3-5 % scharf erkennen. Darauf sind wir konditioniert: Diese innere, lange erprobte Fähigkeit können wir also nutzen, wenn wir uns auf geschäftliche oder private Erfolge konditionieren: Wir setzten uns Ziele, priorisieren und stellen uns die wichtigsten Aufgaben. Wir beschaffen die Ressourcen, kreieren uns ein förderliches Umfeld und dann: Vollgas. Jetzt brauchen wir ja nur noch abarbeiten, dann wird sich der Erfolg schnell einstellen. Somit gehen wir also sehr fokussiert vor. Wir nutzen in perfekter Weise eine wertvolle Fähigkeit, die ausgereift in uns ruht. Falsch. Es wird so nicht funktionieren.

Wie machen es die Trapper und Indianer?

Ich nehme dich, lieber Leser, nochmal mit zu den Trappern. Wenn diese so durch einen ursprünglichen Wald mit all seinen Gefahren gehen würden…sie kämen nicht weit und würden in eine Falle stürzen, von Tieren aus dem Dickicht angegriffen oder schlicht vor einen Stein oder Baum rennen. Ja, sie visieren auch ein Ziel an, fokussieren. Doch sie sind darauf trainiert, peripher zu sehen. Sie lassen auch die 95% der Informationen durch, die das Auge nicht scharf sehen kann. Und wir sprechen ja nur von einem der fünf Sinne, die anderen melden natürlich auch kräftig.

Warum ich dir das erzähle? Du bist ja schließlich kein Trapper. Doch bist du, tief in deiner kollektiven Erfahrung wirken Verhaltensweisen und Muster, die nicht in den letzten Jahren erlernt und abgespeichert wurden: Wie die Hell-Dunkel-Abhängigkeit beim Jetlag oder die Stress Reaktionen des Körpers. Das alles wirkt und du kannst nichts dagegen tun. Doch du kannst lernen damit zu leben und die Vorteile zu erkennen.

Wie kann ich das üben?

Das bedeutet für unseren Arbeitsalltag: Ja, natürlich visieren wir unsere Ziele an und fokussieren uns in den alltäglichen Aufgaben. Doch wir können lernen, mit zu bekommen, wenn unsere Sinnesorgane (oder die inneren Gedanken) etwas melden, das neben dem Fokus liegt. Wenn wir das wahrnehmen, können wir uns kurz, da reichen meist 1,2 Sekunden vom Fokus lösen, schnell die Information bewusst aufnehmen und unserem inneren System sagen: „Keine Bedrohung, keine Gefahr! Wir können weitermachen.“ Ein Beispiel von meinem Schreibtisch: Wenn ich einen Zoom-Call halte, dann schaue ich auf den Bildschirm vor mir. Hinter dem Bildschirm sind große Fenster zur Straße. Wenn sich dort Menschen bewegen oder Autos fahren, dann nehme ich das manchmal wahr, kann es jedoch nicht genau erkenn. Doch mein Gesprächspartner bekommt meine Irritation mit. Allein deshalb unterbreche ich dann kurz: „Sorry, ich bin gerade abgelenkt, ich bin sofort wieder bei dir.“ Dann führe ich den Blick über den Bildschirmrand und prüfe, was denn da so spannend ist für meine Augen: In der Regel entpuppt sich die Bewegung, der Schatten oder auch das Geräusch als uninteressant. „OK; Sorry, da bin ich wieder.“ Vielleicht kennst du diese Irritation auch aus persönlichen Gesprächen mit Augenkontakt, wenn plötzlich ein Teilnehmer den anderen fragt: „Sorry, hörst du mir überhaupt zu?“ Ja tut er, doch es kommt nicht im Arbeitszentrum an, denn das ist gerade mit der Verarbeitung von irgendeinem Gedanken beschäftigt. Eine gute Frage könnte auch sein: „Sorry, hast du mich gerade im Fokus.“

Eine gute Übungsaufgabe kann also sein:

Meine Wahrnehmung darauf zu trainieren, dass ich bemerke, wenn ich den Fokus verliere. Sobald ich merke, er will gerade woanders hin, dann tue ich ihm den Gefallen. Ich gehe ganz dahin, dann gehe ich wieder zurück. That´s it: Schreib mir gerne, ob du es schon so machst. Oder mal ausprobiert hast. Wie war es? Wenn das nicht reicht, dann würde ich ein paar einfache, wirkungsvolle Konzentrationsübungen in mein tägliches Morgenprogramm nehmen. Fünf Minuten reichen.

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